Marktumfeld Gesundheit
Gesamtwirtschaftliche und branchenbezogene Rahmenbedingungen
Die deutsche Wirtschaft ist nach einem pandemiebedingten Einbruch um 4,6 % im Jahr 2020 wieder auf einem Wachstumskurs. Das Bruttoinlandsprodukt ist im Jahr 2021 um 2,7 % gestiegen. Zwar wurde bereits in der Herbstprognose 2021 eine Verlangsamung prognostiziert, doch diese fiel stärker aus als erwartet. Die Ursache dafür sind insbesondere der Anstieg der COVID-19-Infektionen, die hohen Energiepreise und die anhaltenden Lieferausfälle. Unternehmen müssen sich auf weitere Preissteigerungen vor allem im Energiebereich einstellen. Die Inflationsrate erhöhte sich drastisch und lag im Dezember 2021 bei 5,3 %, was den höchsten Wert seit 1992 darstellt.
Nach wie vor ist die gesamtwirtschaftliche Lage stark durch die Corona-Pandemie gekennzeichnet, dabei stehen die Akteure des Gesundheitswesens stark im Fokus, allen voran die Krankenhäuser.
Trotz staatlicher Hilfen stehen die deutschen Kliniken wirtschaftlich schlecht da. Laut „Krankenhaus-Barometer“ rechnen 60 % der Einrichtungen für 2021 mit Verlusten. Neben großen organisatorischen und personellen Herausforderungen stellten die zusätzlichen Covid-19-Patienten, der erhöhte Isolations- und Präventionsbedarf und die Quarantäneanordnungen sowie die durch Erkrankungen zusätzlich ausgedünnte Personaldecke vor enorme Schwierigkeiten.
Um den wirtschaftlichen Sorgen der Krankenhäuser für das laufende Jahr 2021 frühzeitig zu begegnen und die vollständige Konzentration auf die medizinische Versorgung weiter zu gewährleisten, hat die Bundesregierung Verordnungen zur wirtschaftlichen Absicherung der Krankenhäuser umgesetzt, die neben dem Ganzjahresausgleich für 2021 (unter Bezugnahme auf das Vorpandemiejahr 2019) auch die bisherigen Ausgleichszahlungen nochmals anpasste. Die Umsetzung dieser Maßnahmen über diese Verordnung war möglich, da der Bundesregierung im Rahmen des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage weitereichende Verordnungsermächtigungen eingeräumt wurden.
Die Ausgleichszahlungen waren ursprünglich bis zum 31. Dezember 2021 begrenzt. In Anbetracht des Infektionsgeschehens wurden diese aber im Rahmen einer Verordnung noch vor dem Jahreswechsel bis zum 19. März 2022 verlängert. Auch der Corona-Mehrkostenzuschlag wurde im Laufe der Pandemie mehrfach angepasst: Vor dem Hintergrund der aufwendigen Kalkulation und der kleinteiligen Verhandlungen dazu vor Ort haben sich die Selbstverwaltungspartner darauf verständigt, die bis dato geltende Zuschläge als Abschlagszahlungen bis Ende 2020 zur Liquiditätssicherung weiterlaufen zu lassen. Aufgrund der sich normalisierenden Beschaffungspreise senkten die Vertragsparteien die Abschlagszahlungen für 2021 stufenweise ab. Damit entfielen die aufwendige Kalkulation und Verhandlung sowie der Nachweis über die tatsächlich entstandenen Mehrkosten. Der Corona-Mehrkostenzuschlag ist Ende 2021 ausgelaufen. Eine weitere Maßnahme zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Krankenhäuser war unter anderem die Einführung eines befristeten Versorgungsaufschlags je Covid-Patient.
Vor dem Hintergrund der erheblichen personellen Belastung durch die Corona-Pandemie, wurden auch in diesem Bereich Sonderregelungen getroffen. So wurden beispielsweise durch den GBA Ausnahmen bei Dokumentationsvorgaben zur Qualitätssicherung getroffen oder die Regelung der Strafzahlungen für das Prüfgeschehen des Medizinischen Dienstes ausgesetzt. Als Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung für Pflegekräfte wurden Mittel für Corona-Prämien bereitgestellt.
Trotz sämtlicher Maßnahmen, die von den Akteuren ergriffen werden, führt die Corona-Pandemie die deutschen Krankenhäuser in eine prekäre Lage. Allerdings zeichnet sich der wirtschaftliche Abwärtstrend der deutschen Krankenhäuser bereits seit einigen Jahren ab:
Laut dem Krankenhaus Rating Report 2020 des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) befanden sich im Jahr 2018 13 % der Krankenhäuser im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr (VJ: 11 %), 64 % (VJ: 81 %) im „grünen Bereich“. Die Ertragslage hat sich 2018 ebenfalls verschlechtert: 29 % der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust (VJ: 27%). Als ausschlaggebend hierfür wird der erneute Fallzahlrückgang im Jahr 2018 um 0,9 % aufgeführt. Als Gründe werden die wachsende Knappheit an Fachkräften und intensivere MDK-Prüfungen, verbunden mit der zunehmenden Ambulantisierung aufgeführt. Der wachsende Anteil an ambulanten Leistungen wird voraussichtlich dazu führen, dass die Fallzahlentwicklung, trotz Alterung der Gesellschaft, bis ins Jahr 2030 nahezu stagniert. Gleichzeitig geht das RWI davon aus, dass sich die Verweildauer von aktuell 7,2 Tage (Stand: 2018) bis zum Jahr 2030 auf 6,2 Tage reduzieren wird. Für rund 22 % der heutigen Krankenhausbetten gäbe es dann keinen Bedarf mehr. [1]
Neben den steigenden Defiziten und den schwierigen Marktbedingungen wird der Druck auf die Krankenhäuser durch neue Gesetzesanforderungen verschärft.
Die Gesetzgeber setzten dabei an unterschiedlichen Stellschauben an, die von Personalvorgaben über die Restrukturierung der Notfallversorgung bis hin zu gravierenden Änderungen des Vergütungssystems reichen. Die bereits im Jahr 2020 beschlossenen, wesentlichen Gesetzesänderungen, wie die Einführung weiterer Pflegepersonaluntergrenzen (siehe PpUGV), die Einführung des Pflegebudgets im Rahmen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpsG) und die Umsetzung des MDK-Reformgesetzes beschäftigten die Einrichtungen auch im Jahr 2021 maßgeblich. Hinzu kamen Verschärfungen von Qualitätsvorgaben und Mindestmengen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Obwohl die Ansätze der Gesetze in weiten Teilen nachvollziehbar sind, sind viele der Maßnahmen unausgereift und erfordern Korrektur. Die Folgen für die Krankenhäuser sind oftmals nicht abzuschätzen.
Covid-19 wird oft als Katalysator zur Beschleunigung des Fortschritts in Telemedizin, von Gesundheits-Apps und der elektronischen Patientenakte bezeichnet. Doch auch zuvor rückte der Gesetzgeber den Ausbau der digitalen Strukturen in den Fokus: Das 2019 in Kraft getretene Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) sieht vor, dass Krankenhäuser zum 01. Januar 2021 den Anschluss an die Telematikinfrastruktur sicherstellen müssen.
Damit wird die zentrale Voraussetzung geschaffen, verschiedene IT-Anwendungen einzuführen, wie beispielsweise die elektronische Patientenakte. Denn die Erfahrungen der Corona-Pandemie haben den Stellenwert der Digitalisierung in der Krankenhausversorgung verdeutlicht. Als Antwort darauf wurde das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) beschlossen und am 28. Oktober 2020 in Kraft gesetzt. Es stellt u. a. 3 Mrd. Euro des Bundes für den Ausbau der Krankenhaus-IT zur Verfügung, die durch 1,3 Mrd. Euro der Länder ergänzt werden müssen. Um Mittel aus dem Krankenhauszukunftsfonds zu erhalten, müssen die Digitalisierungsprojekte der Krankenhäuser eine Reihe von gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Dazu gehören § 19 Absatz 2 und 3 der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (KHSFV) sowie § 14a Absatz 5 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG). Die entsprechenden Anträge mussten bis zum 31.12.2021 beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) eingereicht werden. Seit dem 01.01.2021 hält allein das BAS mit dem Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) rund 3 Mrd. Euro für Investitionen in die digitale Infrastruktur von Krankenhäusern bereit. Weitere rund 1,3 Mrd. Euro tragen Länder und Krankenhausträger. Förderfähig sind laut Gesetz Vorhaben zur Verbesserung der internen und sektorenübergreifenden Versorgung, Ablauforganisation, Dokumentation, Kommunikation, Telemedizin, Robotik, und Hightechmedizin als auch der Ausbau moderner Notfallkapazitäten. 15% der beantragten Fördermittel müssen dabei als Grundvoraussetzung in die IT-Sicherheit fließen.
Die Digitalisierung von Arbeitsabläufen und Strukturen bietet für die Krankenhäuser eine große Chance mit beachtlichen Effizienzpotenzialen. Allerdings stehen Krankenhäuser mit veralteten IT-Strukturen und mangelnden Datenschutzmechanismen vor hohen, nicht abwendbaren Investitionskosten.
Die beschriebenen wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen werden die Krankenhäuser zu weiteren Konsolidierungen zwingen. Wie bereits in den vergangenen Jahren wird es zu weiteren Schließungen von Abteilungen, Klinikstandorten, aber auch ganzen Krankenhäusern kommen. Die strategische Anpassung des Leistungsportfolios, verbunden mit der Entwicklung neuer sektorenübergreifender Versorgungsmodelle und der Aufbau von digitalen Partnerschaften wird für den Erhalt der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit unabdingbar werden.
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1. Augurzky et al (2020): Krankenhaus Rating Report 2020